Ganz nach Gutsherrenart

Bildschirmfoto 2020-10-11 um 10.24.01Es ist einer der schönsten Plätze an der Alm, ein Naturjuwel, wo die 110-kV-Freileitung brutal den Fluss überquert. Schlimm genug. Doch vor lauter Eile beim Bau missachtet die Energie AG hier nicht nur fehlende Bewilligungen, sondern ruiniert durch rücksichtslosen Hubschraubereinsatz auch noch die 2-Jahres-Ernte wertvollsten Saatgutes für zukünftige Wälder.
Foto: Keine optische Täuschung – diese Fichte ragt in die Leiterseile. Strom kann so nicht fließen. Wegen mangelhaft ermittelter rechtlicher Fragen liegt keine Fällungsbewilligung vor.

Die „Attacke“ des Lastenhubschraubers, der Leiterseile über die Alm ziehen soll, kommt ohne jede Vorwarnung – ausgerechnet jetzt! Am Waldboden sind Vliese sorgfältig ausgelegt. Der Winddruck des großen Fluggeräts weht sie im Handumdrehen fort. Und zugleich prasseln die gerade ausgereiften Saaten von Eibe, Bergahorn, Rotbuche und Esche auf den Waldboden statt in die Vliese. 40 Prozent des Saatguts unrettbar verloren.

Das ist nicht nur ein herber wirtschaftlicher Verlust, sondern auch ein Schlag gegen die Natur. Denn das hier ist eines der seltenen Generhhaltungreservate für die geschützte Eibe. Auch für die übrigen wichtigen Baumarten gibt es für diese sogenannte submontane Vorgebirgs-Zone nur zwei oder drei anerkannte Saatgutbetriebe in Oberösterreich. Sie beliefern Forstgärten, die daraus pflanzfähige Baumsetzlinge ziehen. Was hier vernichtet wurde, daraus hätten tausende Bäume für unsere Wälder werden können.

Vollendete Tatsachen schaffen hat Vorrang

Der Hubschraubereinsatz wäre wohl nicht nötig gewesen, hätte die Energie AG die Vorerhebungen zu dem betroffenen Waldstück nicht überhastet durchgeführt. Diskrepanzen zwischen Anträgen und tatsächlichen Verhältnissen führten jedoch dazu, dass bis dato keine Fällungsbewilligungen erteilt wurden. Und ein „normaler“ Seilzug quer durch die Bäume funktioniert nun einmal nicht. Daher hängt die Leitung über dem südlichen Waldhang an der Alm jetzt um eine große Fichte herum.

Aber auch am gegenüberliegenden Almufer geht nicht alles mit rechten Dingen zu: Hier stehen bis zu 60-jährige Ulmen, Linden, Ahorn usw. mit gekappten Wipfeln unter der Leitung. Sie werden wahrscheinlich eingehen. Dies ist eine der vielen Flächen, für die die Energie AG nie eine Fällung beantragt hat, weil sie im Kataster nicht als Wald verzeichnet sind. Das ändert allerdings nichts an ihrer Waldeigenschaft. Daher sind diese Quasi-Rodungen klar rechtswidrig. Wo kein Kläger, da kein Richter?
Foto: Geköpfte Bäume unter dem Mast Nr. 58 – eigenmächtige Aktion der Energie AG

Dies sind nur zwei von vielen Beispielen. Sie alle zeigen, dass der Energie AG Natur und Menschen völlig gleichgültig sind. Bewilligungen werden verletzt, Schäden in Kauf genommen, Mastfundamente größer als beantragt in den Waldboden betoniert – alles, damit die Freileitung soweit wie möglich steht, schon bevor der Verwaltungsgerichtshof sein Urteil darüber gefällt hat, ob das ganze Projekt nicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss. Und das würde bedeuten: zurück auf Null, wahrscheinlich sogar Abriss. Aber man scheint zu hoffen, dass vollendete Tatsachen nun einmal vollendete Tatsachen bleiben.

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Was so alles „absoluter Blödsinn“ für die Energie AG ist

Siegesgewiss gibt sich die Energie AG derzeit, was die Fertigstellung der 110-kV-Freileitung Vorchdorf–Kirchdorf betrifft. „Wenn alles problemlos läuft, sollten wir im ersten Halbjahr 2021 fertig sein“, zitiert die Bezirksrundschau am 24.8.2020 den Sprecher des Energiekonzerns, Wolfgang Denk. Doch die Leiterseile, die derzeit montiert werden, hängen an einem seidenen Faden.
Foto: Franz Staudinger/meinbezirk.at

In der Tat wirken die Baufortschritte ehrfurchtgebietend. Und das sollen sie wohl auch, denn weiteren Widerstand aus der Bevölkerung und von den Gemeinden hat die Energie AG satt, soviel ist offensichtlich. Zugleich weiß das Unternehmen genau, dass die noch offene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Umweltverträglichkeitsprüfung wie ein Damoklesschwert über den vielen verbauten Millionen hängt. Daher ist Denk wohl auch unwillkürlich eine etwas grobe Äußerung herausgerutscht – und zwar zum Thema „Aufrüstung auf noch höhere Stromspannung“. Der Verdacht war schon in der Vergangenheit immer wieder aufgekeimt: 220 statt der 110 kV, also das Tausendfache der Spannung, die bei den Steckdosen im Haushalt anliegt.

„Das ist absoluter Blödsinn“, so Denk. „Dafür haben wir gar keine Genehmigungen und es ist auch von der Infrastruktur dafür nicht ausgelegt.“, schreibt die Bezirksrundschau. Die ganze Wahrheit sagt Denk damit aber wieder einmal nicht. Denn die Netzbetreiber arbeiten schon seit Jahren zielstrebig daran, eine solche Aufrüstung leichter zu ermöglichen.

Erleichterungen im Starkstromwegerecht angestrebt

Es steht bereits im Regierungsübereinkommen – und die Stromwirtschaft wird daran nicht unbeteiligt gewesen sein: Für Erweiterungen und Änderungen bereits bestehender Leitungen sollen Erleichterungen der gesetzlichen Regelungen im Starkstromwegegesetz „geprüft“ werden. Das heißt nichts anderes als eine Einschränkung der ohnehin ungeliebten Einspruchsrechte der Betroffenen.

Und auch was die Technik betrifft, wirft der Energie-AG-Sprecher Nebelgranaten. Denn aus einer 110-kV-Leitung eine Höchstspannungsverbindung etwa mit 220 kV zu machen, ist längst keine Raketenwissenschaft mehr. Schon 2012 wurde im Rahmen des deutschen „Technikdialogs“ von der Bundesnetzagentur eine Lösung für die Aufrüstung einer 110-kV-Freileitung auf Höchstspannung vorgestellt, bei der dieselben Masten weitergenutzt werden können. Und der auf deutschen Modellen basierende Netzentwicklungsplan der APG („Verbund“) von 2018 strebt unter dem Stichwort NOVA (Netzoptimierung vor Ausbau) an, die 110-kV-Leitungen der Verteilernetzbetreiber mit den eigenen Höchstspannungsleitungen zu „bündeln“. Das Feld ist also abgesteckt.

Besonders dreist

… sind die Aussagen von Konzernsprecher Denk auch angesichts eines bereits bestehenden gemeinsamen Projekts mit der APG im Zentralraum. Im eigenen „Hochspannungsblog“ der Energie AG heißt es: „Geplant ist, dass die bestehenden 110-kV-Leitungen durch einen 220-kV-Versorgungsring ersetzt werden.“ Die Befürchtungen, dass eines Tages die gesundheitliche Belastung durch Magnetfelder im Leitungsbereich ansteigt, sind also alles andere als „absoluter Blödsinn“.

Der Widerstand der Kämpfer für eine Erdverkabelung der Leitung im Rahmen der inzwischen bundesweiten Initiative FAIRKABELN wird also, anders als im Rundschau-Artikel befürchtet, durch derartige Provokationen eher noch wachsen.

Das Risiko für einen Abriss der 110-kV-Freileitung steigt weiter

Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) macht auch Netzbetreibern klar: Versäumnisse bei der Bewilligung enden im Desaster: Sollte eine erforderliche Umweltprüfung fehlen, muss ein Gericht die Genehmigung für das betreffende Projekt aufheben – sogar wenn es bereits fertig durchgeführt ist.
Foto: Schon vor 2 Jahren errangen die Erdkabelkämpfer aus dem Alm-/Kremstal einen Sieg bei den EuGH-Richtern in Luxemburg. (v. l. n. r.: RA Dr. Wolfgang List, Vorstandsmitglieder Franziska Zimmer und Michael Praschma, RA Mag. Fiona List)

Auf den kürzesten Nenner gebracht: „Mit dem Urteil des EuGH vom 25.06.2020 (Downloadlink) wurden sämtliche Gegner der 380-kV-Salzburgleitung, aber auch anderer Stromleitungsprojekte und Windkraftprojekte bestätigt, dass ohne Strategische Umweltprüfung keine derartigen Projekte genehmigt werden dürfen“, schreibt Initiativenanwalt Dr. Wolfgang List, der die Salzburger ebenso wie die oberösterreichischen Erdkabel-Initiativen vertritt.

Neue Hoffnung für Betroffene und die Landschaft

Bei der Salzburgleitung liegt der Fall bereits völlig klar: Die (vorangehende) Strategische Umweltprüfung wurde unterlassen; damit muss laut EuGH die Genehmigung aufgehoben werden, auch wenn die Rodungs- und Bauarbeiten in vollem Gange sind.
Auch zwischen Vorchdorf und Kirchdorf stehen schon dutzende Hochspannungsmasten, und viele Hektar Wald sind zerstört. Der Fall liegt ebenfalls vor dem Verwaltungsgerichtshof in Wien, wenn auch ohne aufschiebende Wirkung. Hier geht es um das Ausmaß der Rodungsflächen. Liegen diese über dem maßgeblichen Schwellenwert, ist auch für die 110-kV-Freileitung eine Umweltverträglichkeitsprüfung Pflicht – das neue Urteil des EuGH greift in diesem Fall genauso.

Investitionsruinen, Politikdebakel, Umweltschäden

Ein Abriss fertiggestellter Freileitungen wäre der GAU für die Netzbetreiber APG in Salzburg und Energie AG in Oberösterreich. Und dieses Szenario ist nicht utopisch. Das Starkstromwegegesetz bestimmt eindeutig: Bei Erlöschen einer Bewilligung ist die Leitungsanlage auf Verlangen eines Grundstückseigentümers „umgehend abzutragen und der frühere Zustand nach Möglichkeit wiederherzustellen“! Die in den Sand gesetzten Gelder gingen in dreistellige Millionenhöhe. Die Politik wäre bis auf die Knochen blamiert, weil sie seit Jahren alle entsprechenden Hinweise der Initiativen vom Tisch gewischt hat. Vor allem aber wären die bereits jetzt gerodeten Waldflächen für nichts und wieder nichts geopfert worden.

Die APG hat bereits reflexartig jede Relevanz des EuGH-Urteils für die Bewilligung der Salzburgleitung bestritten. Die Initiative „110 kV ade!“ erwartet nun dieselbe Reaktion von der Energie AG – auch hinsichtlich der Leitungsprojekte im Inn- und Mühlviertel. Aber immerhin: Die Erdkabel-Initiativen haben stets gesagt, dass alle Waldfällungen für die Leitung den Rodungsflächen zuzurechnen seien. Netzbetreiber haben das genauso über Jahre mit Hohn und Spott quitiiert – und wurden doch vom EuGH im Jahr 2018 eines Besseren belehrt.

„Stromausfall“ – Fehlschlag beim ersten Stresstest der Freileitung

Das Sturmtief Yulia am 23. Februar war heftig – aber kein ganz außergewöhnlicher Wintersturm. Schäden wie an diesem Tag – oder noch schlimmere – können jederzeit wieder auftreten. Ein Test war der Sturm auch für die Sicherheit der 110-kV-Freileitung, für die gerade die Trasse freigeschlägert wird. Spoileralarm: Die Leitung ist massiv gefährdet. Die Warnungen der Erdkabelkämpfer haben sich bestätigt. 
(Foto: Stämme wie diese hätten kaum mehr als 4 Meter von den Leiterseilen entfernt gestanden.)

Die Szenerie ist bedrückend: Eine Schneise von rund 25 Metern Breite zieht sich durch den Fichtenbestand am Bergrücken zwischen Steinbach und Inzersdorf, gut 800 Meter vom Kronbauerngut entfernt. Ein sogenannter Trassenaufhieb, zwangsweise auf dem Weg der Enteignung durchgesetzt. Bäume, die bisher mitten im Bestand sicher waren, sind plötzlich „Randbäume“. Wind, Sonne und Schneelasten greifen die Stämme von einem Tag auf den anderen einseitig an.

Dann geschieht, wovor die ortskundigen Waldbesitzer von Anfang an gewarnt hatten:  Es ist nicht einmal ein Orkan, der binnen Minuten 13 Bäume umwirft – teils wie Streichhölzer geknickt, teils entwurzelt, manche um die 40 Jahre alt und daher durchaus wuchtig. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass diese Stämme die Hochspannungs-Leiterseile abgerissen hätten; vielleicht wären auch die benachbarten Masten Nr. 87 und 88 dadurch eingegeknickt – wäre die Leitung schon fertig errichtet.

Fahrlässig eingebautes Risiko – und die Behörde schaut weg

Hier geht es nicht nur darum, dass der Trassenaufhieb besonders in dieser exponierten Lage dazu führen kann, dass Stürme die ungeschützten Ränder immer weiter aufreißen. Darauf und auf weitere erwartbare Schäden haben bereits die Amtssachverständigen hingewiesen. Es entsteht insgesamt „waldbaulich ein immens großer Schaden“, wie es der betroffene Waldbesitzer formuliert.

Die fatale Situation ist darüber hinaus Folge eines unglaublichen Behördenversagens. Denn unter anderem aus Sicherheitsgründen haben das Land ebenso wie die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf die Leitung im Wald ursprünglich mit einer deutlich breiteren Trasse bewilligt – entsprechend der einschlägigen ÖNORM. Diese soll genau dies verhindern: dass Bäume in die Leitung fallen können. Und zunächst hat die Energie AG das auch in allen Plänen und Einreichungen berücksichtigt.

Doch dann tauchte die Frage auf, ob aufgrund der großen Waldflächen – 39 Hektar sollten betroffen sein – nicht eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich ist. Daraufhin reichte die Energie AG plötzlich eine Trasse ein, bei der nur noch die absoluten Mindestabstände zwischen Wald und Leitung vorgesehen waren: ganze 4 Meter zu beiden Seiten hin. Leicht nachvollziehbar, dass damit kein Hineinfallen eines Baums in die Leitung verhindert wird – was sich nun mit Wintersturm Yulia eindrucksvoll erwiesen hat.

Ein Fall von Amtsmissbrauch?

Das Land Oberösterreich, genauer die Abteilung Anlagen-, Umwelt- und Wasserrecht, ist seit Monate darüber informiert, dass die Energie AG ihre Freileitung unter Verletzung klarer Bescheidauflagen errichtet. Es gibt auch eine anwaltliche Aufforderung, diesbezüglich tätig zu werden, denn jeder Beamte ist verpflichtet, einem Verdacht einer Verwaltungsübertretung nachzugehen.

Gebetsmühlenartige Antwort: Wir können dies erst nach Fertigstellung der Leitung überprüfen – denn die Energie AG könnte ja nachträglich weitere Fällungen beantragen. Nur: Genau das hat der Konzern bereits in mehreren Gerichtsverfahren, in denen die Waldflächen zur Diskussion standen, kategorisch ausgeschlossen. Aus einem fadenscheinigen Grund: Es fehlen nicht einmal 2 Hektar (das wären 100 x 200 Meter) zur Überschreitung des Schwellenwerts für eine UVP. Und damit wären alle Bewilligungen vom Tisch. Schlimmer: Auf Verlangen jedes Grundeigentümers müssten bereits errichtete Teile der Leitung unverzüglich entfernt werden. Ein beispielloses Fiasko.

 

 

 

Verfährt die Energie AG nach Gutsherrenart?

Bildschirmfoto 2020-01-10 um 06.18.44Was Grundeigentümer und andere Betroffene schon immer befürchtet haben, scheint nun einzutreten: Hat die Energie AG erst einmal ein Servitut in der Tasche, so ist die Scham vorbei. So werden offenbar Forstwege befahren, deren Betreten und Benutzen vom Eigentümer ausdrücklich untersagt wurde.

16. Dezember, kurz vor Mittag, hoch oben im Gemeindegebiet von Steinbach a. Z.: Eine Leitungs-Baubesprechung in der Nähe eines der Weitspannmasten, nahe der Grenze zwischen zwei Grundeigentümern in der Katastralgemeinde Oberinzersdorf. Angefahren werden die Maststandorte 85 bis 90, und zwar über den Forstweg Kronbauer.

Dieser Forstweg beginnt allerdings bei zwei Grundstücken, die nicht in der Satzung der Forstweggenossenschaft Kronbauer enthalten sind. Und jetzt kommt die Eigenmächtigkeit: Der Eigentümer dieser Grundstücke hat der Energie AG und ihren Beauftragten jedes Betreten seiner Grundstücke untersagt, soweit im Zuge der Enteignungsverfahren hierfür keine Dienstbarkeit erzwungen worden ist. Vor Gericht hat die Energie AG mehrfach ausdrücklich beteuert, keine Waldflächen außerhalb der Schutzstreifen in Anspruch zu nehmen.

In den forstrechtlichen Bewilligungsverfahren war nämlich schon für mehrere Maststandorte in schwer zugänglichem Gelände fraglich, wie die Bauarbeiten überhaupt ohne zusätzliche Zufahrten durchführbar sein sollte. „Notfalls per Hubschrauber“ und keinesfalls außerhalb des Schutzstreifens, lautete die Antwort. Den Betroffenen – und demnächst auch wohl wieder den Anwälten beider Seiten – stellt sich die Frage, wie sich der Netzbetreiber später auf fremdem Grund benehmen wird, wenn schon bei der Bauvorbereitung Eigentümerrechte missachtet werden. Der vorliegende Verstoß ist jedenfalls bereits fotografisch belegt und bezeugt.

Sie bauen auf eigenes Risiko – Was ist los mit der Freileitung?

Bagger stehen an Waldrändern, neue Mastrümpfe und ganze Masten wachsen aus dem Boden; im neuen Umspannwerk an der B 120 zwischen Pettenbach und Scharnstein brennt schon Licht – ist es jetzt vorbei mit der Hoffnung auf ein Umwelt und Landschaft schonendes Erdkabel? Es scheint so, aber es ist nicht so. – Ein Überblick über den Stand der Dinge zum Ende des Jahres. (Foto: So schaut das in der Nähe von Strobl aus. Aber ist es auch die Zukunft für Alm- und Kremstal?)

Noch steht der Wald, vor allem auf der kilometerlangen Trasse in ausgesetzter Lage im Gebiet von Steinbach am Ziehberg und Inzersdorf. Ist hier erst eine weithin sichtbare Schneise geschlägert, dann ist passiert, was die Bevölkerung seit fast 10 Jahren zu verhindern versucht: Ein in Jahrzehnten nicht mehr gutzumachender Frevel an der Natur. Dennoch geht der Kampf für ein Erdkabel weiter – auch wenn die Energie AG rücksichtslos die Freileitung weiterbaut. Wie kann das sein? Hier die aktuellen Antworten auf die wichtigsten Fragen:

  • 1. Was ist mit den Gerichtsverfahren? Der Verwaltungsgerichtshof hat bisher weder entschieden, ob die Leitung wegen UVP-Pflicht neu bewilligt werden muss, noch den Europäischen Gerichtshof eingeschaltet. Deshalb baut die Energie AG mit den erteilten Bewilligungen legal, aber auf eigenes Risiko weiter. Denn: Erlischt die derzeitige Bewilligung, muss laut Gesetz die Energie AG die Leitungsanlage nach Aufforderung des Grundeigentümers unverzüglich entfernen!
  • 2. Was könnte den Bau noch stoppen? – Neben dem erwähnten Gerichtsentscheid ist das auch noch die Behörde, wenn sie anerkennt, dass die „schlankere“ Trasse im Wald zwangsläufig zu Ver­letzungen von Bescheid-Auflagen führt. Diesen heiklen Punkt tragen wir gerade vor. Das Land als Behörde hat bereits festgehalten: „Das Risiko im Hinblick auf schlussendlich allfällig rechtswidrig errichtete Baulichkeiten trägt – wie in jedem dieser Fälle, in welchen vor Abschluss sämtlicher Rechtsgänge ein Bauwerk errichtet wird – die Bewilligungsinhaberin … d.h. die Behörden sind verpflichtet, auch nach Fertigstellung der Anlagen den rechtmäßigen Zustand herzustellen.“
  • 3. Wie stehen die Chancen – haben wir noch eine? Eindeutig ja. Wie groß die Chancen sind, ist aber nicht seriös zu beantworten. Die Initiative ist ja mit ihrer Vorgangsweise absoluter Pionier, war sich aber zuletzt einig: „Wir geben ebensowenig auf wie die Inn- und Mühlviertler!“ Und die IG Landschaftsschutz Mühlviertel hat vor allem hinsichtlich der Kosten für ein 110-kV-Erdkabel mit ihren hochkarätigen Experten noch ein paar Asse im Ärmel, die das Spiel entscheidend aufmischen könnten.

Warum die Landesregierung sich totstellt…

Das ist verständlich: Sie hat keine Argumente. Auf den Offenen Brief mit der Forderung nach einem Baustopp gab es keine Antworten, die die Bezeichnung „Antwort“ verdienen würden. Die Opposition in Gestalt von Rudi Anschober (Grüne) und SPÖ-Klubchef Christian Makor habe sich zwar auf die Seite der Erdkabelbefürworter gestellt, doch mangels Entscheidungsbefugnis ohne praktische Folgen. Energielandesrat Achleitner hat einen Brief ohne jede wirkliche Bezugnahme zum Problem geschickt.

Dabei gäbe es Grund genug zu handeln: Das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission kann das Thema Umweltverträglichkeitsprüfung jederzeit wieder auf den Tisch bringen, ebenso der Verwaltungsgerichtshof und der Europäische Gerichtshof. Dann wäre eine fertig errichtete Freileitung eine zig Millionen teure Bauruine. Doch hier scheint es ums Prinzip zu gehen.

Was wir jetzt brauchen: Die beständige Unterstützung durch unseren Anwalt Dr. Wolfgang List ist momentan das Fundament unseres Kampfes. Dennoch gibt es rechtliche Ausein­andersetzungen nicht zum Nulltarif. Deswegen bitten wir heute wieder um eine

Spende auf unser Konto „Mensch & Energie“, IBAN AT91 3451 0000 0769 0217!

EU-Kommission in unserer Sache gegen die Republik!

Ein Vertragsverletzungsverfahren hat die Kommission gegen Österreich eingeleitet. Dabei geht es um die willkürliche Aufsplitterung und Erhöhung des Schwellenwertes für Abholzungen im Zusammenhang mit Hochspannungsleitungen. Beides war Teil der Novellierung des UVP-Gesetzes durch die türkis-blaue Regierung.

50 statt bisher 20 Hektar betroffener Waldfläche – mehr als in jedem anderen EU-Staat – sollten nach dem Willen der Regierung erforderlich sein, um eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für Projekte wie die 110-kV-Freileitung Vorchdorf–Kirchdorf auszulösen. Damit wäre eine UVP im vorliegenden Fall hinfällig geworden, denn beantragt waren „nur“ 39 Hektar.

Wegen der Unverhältnismäßigkeit dieser Erhöhung des Schwellenwerts haben die Betroffenen in einem Revisionsantrag dem Verwaltungsgerichtshof eine Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgeschlagen: nämlich, ob die Novelle nicht gegen die UVP-Richtlinie der EU verstößt. Dem ist die EU-Kommission jetzt zuvorgekommen. Sie hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, und zwar ausdrücklich auch mit Bezug zu der umstrittenen UVP für die Leitung Vorchdorf–Kirchdorf.

Riskiert die Energie den Weiterbau einer Leitung, der ein Zwangsabriss drohen könnte?

Die unionsrechtswidrige Novelle könnte also bald fallen. Damit wäre erneut auf dem Tisch, worauf die Befürworter eines Erdkabels für diese Leitung seit Jahren hinweisen: Das Leitungsprojekt der Energie AG muss auf Umweltverträglichkeit geprüft werden. Denn dass jedenfalls mehr als 20 Hektar Wald fallen, wenn die Freileitung gebaut wird, ergibt sich aus den bewilligten Projektunterlagen eindeutig. Zwar wollte die Energie AG abweichend davon zuletzt auf einmal nur etwas über 18 Hektar beanspruchen. Sie begibt sich damit aber in Widerspruch zu rechtskräftigen behördlichen Auflagen. Auch darum geht es bei der Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Derzeit werden bereits Bäume gefällt und Rodungen längs der Trasse durchgeführt. Weitere Masten werden laufend aufgestellt. Die Energie AG verbaut Million um Million mit einer Bewilligung, die ihr schon morgen um die Ohren fliegen kann. Die hauptsächliche massive Schneise durch rund 10 Kilometer Wald ist derzeit noch nicht geschlagen. Dieser Wald wäre dann aber auf Jahrzehnte nicht wieder hergestellt. Die Betroffenen setzen nach wie vor darauf, dass wenigstens nach dieser Katastrophenmeldung für die Energie AG die Zerstörung gestoppt wird.

Auf hoher See und vor Gericht …

… bist du in Gottes Hand“, heißt es. Was soviel bedeutet wie: Am Schluss hängt es nicht von dir ab. Das Bundesverwaltungsgericht hat heute mit einem Urteil, das rätselhafter nicht sein könnte, die Beschwerden von Betroffenen und Gemeinden in Sachen UVP-Pflicht für die 110-kV-Leitung Vorchdorf–Kirchdorf in Bausch und Bogen abgewiesen. 

Keine Woche nach der über 7-stündigen mündlichen Verhandlung – genau genommen binnen 3 Arbeitstagen – verfertigte Richterin Katharina David ein 28-seitiges Erkenntnis zu einer Beschwerde, in der allein in dieser Instanz 142 Seiten Gutachten, mehrere schriftliche Stellungnahmen sowie Akten aus zwei anderen Verfahren abzuarbeiten waren, abgesehen von der eigentlichen Beschwerde  und den hochgradig kontroversen Äußerungen bei der Verhandlung selbst.

Es stellt sich nicht allein die Frage, inwieweit es in dieser kurzen Zeit überhaupt möglich gewesen sein soll, die schiere Masse an Argumenten zu würdigen, bei denen in wesentlichen Punkten außerdem Aussage gegen Aussage stand – und zwar bei Sachverhalten, die (unstrittig!) gutachterlich gar nicht überprüft worden waren.

Befremdlich ist außerdem, dass die Richterin genau deshalb zu Verhandlungsende festgestellt hatte, das Ermittlungsverfahren (!) sei hiermit noch nicht abgeschlossen – auf gut Deutsch: Die strittigen Sachverhalte müssten noch überprüft werden. Nun erklärt das Gericht plötzlich zusammenfassend: „Die entgegenstehenden Ausführungen der Projektwerberin und des Amtssachverständigen erwiesen sich als fachlich überzeugender.“ Tatsächlich wurden in der Verhandlung aber nur ein Bruchteil der strittigen Flächen überhaupt diskutiert.

Geheimnis des Gerichts bleibt es auch …

… weswegen überhaupt gerichtlich ein Gutachten über die Waldflächen eingeholt und ganz überwiegend nur dazu ein Verhandlungsmarathon durchgeführt wurde, wenn doch das Gericht ohnehin der Ansicht ist, dass der Streit um 18 oder 21 Hektar völlig belanglos bleibt, weil das neue UVP-Gesetz den entscheidenden Schwellenwert auf 50 ha heraufgesetzt hat. Dass sich die Energie AG genau darauf beruft, war dem Gericht ja schon seit einem halben Jahr bekannt. Kaum anzunehmen, dass die Argumentation der Energie AG erst in den wenigen Tagen seit der mündlichen Verhandlung beim Gericht Wurzeln geschlagen hat. Wozu also der ganze Aufwand?

Mit dieser Frage wird sich nach erster Einschätzung seitens der Beschwerdeführer jetzt der Verwaltungsgerichtshof zu beschäftigen haben. Neben den fragwürdigen Ermittlungslücken des bisherigen Verfahrens wird dabei wohl die grundlegende Frage zu klären sein, ob die offenbar anlassbezogen gesetzlich heraufgesetzten und aufgesplitteten Schwellenwerte für die UVP-Pflicht nicht doch gegen EU-Recht verstoßen.

UVP-Feststellung: 7 Stunden Gemetzel vor Gericht

Das könnte das zweiteTicket zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) werden. Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Wien am 19. Juni 2019 verlief extrem kontrovers, die Argumentationen waren „schweres Kaliber“. Streitpunkt ist nach wie vor, ob für die geplante 110-kV-Freileitung Almtal/Kremstal eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich ist.
(Foto: BVwG/© Harald A. Jahn, Montage: 110 kV ade!)

Warum erneut zum Europäischen Gerichtshof? Mitten während des Streits, ob die geplante 110-kV-Leitung mehr als 20 Hektar Wald zerstört, erfand die letzte Bundesregierung einen neuen Schwellenwert für die UVP-Pflicht: 50 Hektar für sogenannte Trassenaufhiebe – somit gut 10 Hektar mehr, als die Leitung der Energie AG laut zwei rechtskräftiger Bewilligungen im Wald umfassen würde. Initiativenanwalt Wolfgang List sieht darin einen klaren Verstoß gegen EU-Recht. Denn nun gibt es nicht nur zwei getrennte Schwellenwerte (Rodung und Trassenaufhiebe) für denselben Umwelteingriff; mit 70 Hektar insgesamt liegt der Schwellenwert nun auch über dreimal so hoch wie bisher. Ob diese Frage in Luxemburg geklärt wird, entscheidet nun das Bundesverwaltungsgericht.

Quadratdezimeter im Gutachten, die nie geprüft wurden

Harsche Kritik gab es für das Gutachten des Amtssachverständigen Reisenberger. Der Auftrag des Gerichts lautete, die Waldflächen zu ermitteln, die vom Freileitungsprojekt durch Fällungen und Rodungen tatsächlich beansprucht würden. Nach Ansicht der Beschwerdeführer müssen eigentlich die früher bereits bewilligten 39 Hektar herangezogen werden. Doch selbst wenn man die von der Energie AG „geschrumpfte“  Waldtrasse annimmt, stimmen die angeführten 18,02 Hektar nicht. An über 60 Stellen hat die Energie AG dabei Waldflächen übergangen. Sie führen in Summe doch wieder zur Überschreitung des Schwellenwertes von 20 Hektar. Dies bestreitet der Netzbetreiber.

Erstaunen gab es daher darüber, dass Reisenberger die Angaben der Energie AG bis zum letzten einzelnen Quadratdezimeter bestätigte – und nicht einmal angeben konnte, weswegen er z. B. bereits vorgenommene Rodungen nicht erwähnt hat, die mehr als doppelt so groß sind wie bewilligt und die ihm bekannt waren.

(Foto: 135 statt 56 Quadratmeter gerodet ohne Bewilligung. Eine Zufahrt zum Maststandort von der Straße „Am Riedlbach“ war hier nie beantragt.)

Mehrere Beispiele dieser Art sorgten für heftigste Wortgefechte zwischen den Beschwerdeführern und Konzernanwalt Mendel, bei denen sogar die Drohung mit einem Verfahren gegen Rechtsanwalt List vor der anwaltlichen Standesvertretung im Raum stand. Angesichts wechselseitiger Animositäten richtete Richterin Mag.a Katharina David den Kontrahenten aus, dass sie nicht gedenke, diese Passagen zu protokollieren bzw, ihnen nahelegte, dies später bei einem Bier zu diskutieren.

Einigkeit gleich Null – alles ist möglich

Trotz eines Marathons von über sieben Stunden gab es praktisch keinen Standpunkt, der außer Streit gestellt werden konnte. Kein Wunder also, dass die Richterin das Ermittlungsverfahren an diesem Tag ausdrücklich als nicht abgeschlossen erklärte. Mehrere Möglichkeiten stehen nun offen:

  • Die Frage des neuen Schwellenwertes geht zum EuGH. Ist der Schwellenwert rechtswidrig, hat der Kampf für ein Erdkabel erneut Rechtgeschichte geschrieben – und die Überschreitung der 20 Hektar muss genau geprüft werden. Sollten aber die 50 Hektar Schwellenwert für Fällungen bleiben, wird es keine UVP für die Freileitung geben.
  • Die strittigen Waldflächen werden per Lokalaugenschein oder durch eine neue Begutachtung nachgeprüft – auch wenn dies eigentlich nur dann einen Unterschied macht, wenn die alte Rechtslage (20 Hektar Schwellenwert) herangezogen wird.
  • Das Gericht erkennt an, dass sich aus den früheren Bewilligungen verbindlich 39 Hektar beanspruchte Waldfläche ergeben. Dann wäre das Gezerre um knapp zwei Hektar bis zum 20-Hektar-Wert unerheblich. Die Frage, ob 50 Hektar „gelten“, bliebe aber auch hier.
  • Nicht sehr wahrscheinlich, aber hypothetisch denkbar: Das Gericht „kauft“ die von der Energie AG behaupteten 18,02 Hektar. Das hieße: keinesfalls UVP.
  • Besonders im letzen Fall, aber auch bei allen anderen Varianten bleibt beiden Seiten erneut der Weg zum Verwaltungsgerichtshof. Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung des Streits ist es naheliegend, dass das BVwG diesen Weg der Revision freigibt.

Gewiss ist nur, dass die kommenden Wochen von höchster Spannung auf den nächsten Schritt von Richterin David geprägt sein werden.

Um den großen Aufwand für diese aufgezwungene kräftezehrende Auseinandersetzung bis zum guten Schluss leisten zu können, bitten wir heute nochmals um Unterstützung in Form einer Geldspende: Verein Mensch & Energie | IBAN: AT91 3451 0000 0769 0217

Mit der Bitte um Kenntnisnahme! – Ist da jemand?

Man kann alles eine Weile ignorieren; einiges auch immer; aber man kann nicht alles die ganze Zeit ignorieren. Deshalb eine Stellungnahme an Landespolitik, Netzbetreiber und Medien zum öffentlichen Echo auf die Kundgebung „Erdkabel statt Freileitung“ am 28.2.2019 in Linz.

_DSC1270Warum schafft es z. B. Stelzer nicht, auf solche Aussagen einzugehen? – Eines der zahllosen Transparentslogans bei der Kundgebung vor dem Landhaus. (Dieses Foto und weitere am Ende des Artikels: Manfred Voit)
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