Es ist einer der schönsten Plätze an der Alm, ein Naturjuwel, wo die 110-kV-Freileitung brutal den Fluss überquert. Schlimm genug. Doch vor lauter Eile beim Bau missachtet die Energie AG hier nicht nur fehlende Bewilligungen, sondern ruiniert durch rücksichtslosen Hubschraubereinsatz auch noch die 2-Jahres-Ernte wertvollsten Saatgutes für zukünftige Wälder.
Foto: Keine optische Täuschung – diese Fichte ragt in die Leiterseile. Strom kann so nicht fließen. Wegen mangelhaft ermittelter rechtlicher Fragen liegt keine Fällungsbewilligung vor.
Die „Attacke“ des Lastenhubschraubers, der Leiterseile über die Alm ziehen soll, kommt ohne jede Vorwarnung – ausgerechnet jetzt! Am Waldboden sind Vliese sorgfältig ausgelegt. Der Winddruck des großen Fluggeräts weht sie im Handumdrehen fort. Und zugleich prasseln die gerade ausgereiften Saaten von Eibe, Bergahorn, Rotbuche und Esche auf den Waldboden statt in die Vliese. 40 Prozent des Saatguts unrettbar verloren.
Das ist nicht nur ein herber wirtschaftlicher Verlust, sondern auch ein Schlag gegen die Natur. Denn das hier ist eines der seltenen Generhhaltungreservate für die geschützte Eibe. Auch für die übrigen wichtigen Baumarten gibt es für diese sogenannte submontane Vorgebirgs-Zone nur zwei oder drei anerkannte Saatgutbetriebe in Oberösterreich. Sie beliefern Forstgärten, die daraus pflanzfähige Baumsetzlinge ziehen. Was hier vernichtet wurde, daraus hätten tausende Bäume für unsere Wälder werden können.
Vollendete Tatsachen schaffen hat Vorrang
Der Hubschraubereinsatz wäre wohl nicht nötig gewesen, hätte die Energie AG die Vorerhebungen zu dem betroffenen Waldstück nicht überhastet durchgeführt. Diskrepanzen zwischen Anträgen und tatsächlichen Verhältnissen führten jedoch dazu, dass bis dato keine Fällungsbewilligungen erteilt wurden. Und ein „normaler“ Seilzug quer durch die Bäume funktioniert nun einmal nicht. Daher hängt die Leitung über dem südlichen Waldhang an der Alm jetzt um eine große Fichte herum.
Aber auch am gegenüberliegenden Almufer geht nicht alles mit rechten Dingen zu: Hier stehen bis zu 60-jährige Ulmen, Linden, Ahorn usw. mit gekappten Wipfeln unter der Leitung. Sie werden wahrscheinlich eingehen. Dies ist eine der vielen Flächen, für die die Energie AG nie eine Fällung beantragt hat, weil sie im Kataster nicht als Wald verzeichnet sind. Das ändert allerdings nichts an ihrer Waldeigenschaft. Daher sind diese Quasi-Rodungen klar rechtswidrig. Wo kein Kläger, da kein Richter?
Foto: Geköpfte Bäume unter dem Mast Nr. 58 – eigenmächtige Aktion der Energie AG
Dies sind nur zwei von vielen Beispielen. Sie alle zeigen, dass der Energie AG Natur und Menschen völlig gleichgültig sind. Bewilligungen werden verletzt, Schäden in Kauf genommen, Mastfundamente größer als beantragt in den Waldboden betoniert – alles, damit die Freileitung soweit wie möglich steht, schon bevor der Verwaltungsgerichtshof sein Urteil darüber gefällt hat, ob das ganze Projekt nicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss. Und das würde bedeuten: zurück auf Null, wahrscheinlich sogar Abriss. Aber man scheint zu hoffen, dass vollendete Tatsachen nun einmal vollendete Tatsachen bleiben.